Mulla Sadra und die Versöhnung von Vernunft und Offenbarung in seiner „Transzendenten Weisheit“
Mulla Sadra Shirazi gehört zu den Philosophen, die im islamischen Denken neue Perspektiven eröffneten und grundlegend neue Fragestellungen einführten. Er war eng mit dem Koran und den Überlieferungen vertraut und nutzte sie als Grundlage zur Lösung philosophischer Fragen. Mulla Sadra wurde als Muhammad ibn Ibrahim Qawami Shirazi, bekannt unter dem Titel Ṣadr al-Mutaʾallihīn (Meister der Theologen), 979 n. H. (1571 n. Chr.) in Schiraz geboren. Sein Vater, Khwaja Ibrahim Qawami, war ein frommer und gebildeter Staatsmann, dem – nach vielfachem Flehen um ein Kind – ein Sohn geboren wurde, der später als Mulla Sadra berühmt wurde. Als einziger Sohn des Gouverneurs von Fars wuchs er in wohlhabenden Verhältnissen auf und erhielt eine exzellente Ausbildung. Bereits in jungen Jahren studierte er Philosophie, Rechtswissenschaften, Theologie und Literatur – zunächst in Schiraz und dann in der damaligen Hauptstadt Qazvin. Dort lernte er unter den beiden großen Gelehrten Sheikh Bahāʾ ad-Dīn ʿĀmili und Mīr Dāmād. Mit der Verlegung der Hauptstadt ins damals kulturell blühende Isfahan begleitete er seine Lehrer dorthin und widmete sich mit knapp 27 Jahren der Entwicklung seiner eigenen, revolutionären Philosophie.
Begründer der „Transzendenten Weisheit“
In Isfahan stieß Mulla Sadras philosophische Herangehensweise an einige dogmatische Positionen auf Widerstand, weshalb ihm Ketzerei vorgeworfen und er schließlich aus Isfahan verbannt wurde. Er zog sich in das Dorf Kahak nahe Qom zurück und verbrachte dort fünf bis sieben Jahre. Während dieser Zeit wandte er sich dem islamischen Sufismus zu und vertiefte sich weiterhin in das Lehren und Forschen. Am Lebensabend kehrte er nach Schiraz zurück, um an der Madrasa-yi Khan zu lehren, wo er bedeutende Schüler wie Mulla Muhammad Fayz Kashani und Sheikh Abdulrazzaq Lahiji ausbildete und sein Hauptwerk „Die vier Reisen“ (al-Asfar al-Arbaʿa) vollendete. Dieses in vier Bände unterteilte Werk orientiert sich an den vier Stufen des mystischen Weges und bildet das Fundament der Philosophie der „Transzendenten Weisheit“. Ein zentraler Aspekt der „Transzendenten Weisheit“ ist die Harmonie zwischen Vernunft und göttlicher Offenbarung. Die Erkenntnisse des menschlichen Verstands, so Mulla Sadra, stehen in keiner Weise im Widerspruch zu Offenbarung und religiösen Lehren. Vielmehr empfängt der Mensch Wissen und Weisheit durch seinen Intellekt aus der göttlichen Welt. Die „Transzendente Weisheit“ teilt sich in vier intellektuelle Reisen auf: 1. allgemeine metaphysische Fragen, die der ersten mystischen Reise entsprechen; 2. Gotteserkenntnis und göttliche Attribute, die der zweiten Reise gleichkommen; 3. Taten Gottes, die höheren Welten und reinen Geister, analog zur dritten Reise; und 4. das Studium der Seele und der Eschatologie, entsprechend der vierten mystischen Reise. Der Fokus auf das Wesen des Menschen und die Erkenntnis Gottes und seiner Schöpfung ist ein Merkmal der „Transzendenten Weisheit“.
Werke von Mulla Sadra
Mulla Sadra begab sich zu Fuß auf sechs Pilgerfahrten nach Mekka; auf seiner siebten Reise im Alter von 70 Jahren erkrankte er und verstarb. Von ihm sind über 50 Werke überliefert, darunter: Mafatih al-Ghayb, al-Shawahid al-Rububiya fi al-Manahij al-Sulukiya, al-Mabda' wa al-Ma'ad, Kommentare zu Avicennas al-Ilahiyyat, das Werk al-Mashāʿir, Kommentare zum Koran wie zu den Suren Al-Fatiha und Al-Baqara, sowie weitere Abhandlungen in Philosophie, Theologie und Mystik. Sein Grab befindet sich angeblich in einem der alten Friedhöfe von Basra.
Der 22. Mai, der dem 1. Khordad im persischen Kalender entspricht, ist im iranischen Kalender als „Tag des Mulla Sadra“ eingetragen.
Name | Mulla Sadra und die Versöhnung von Vernunft und Offenbarung in seiner „Transzendenten Weisheit“ |
Land | Iran |
Ṣadr al-Mutaʾallihīn Mulla Sadra | |
979 n. H. (1571 n. Chr.) | |
Werke | Hikmat al-Mutaʿāliya fī al-Asfār al-ʿAqliyya al-Arbaʿa Mafatih al-Ghayb al-Taʿliqat ʿala Ilahiyat al-Shifaʾ al-Shawahid al-Rububiya fi al-Manahij al-Sulukiya |